Lohndumping nützt allen!

David Dürr - Basler Zeitung 03.05.2013


An vielen 1. Mai-Reden vorgestern ging es um die Lohn-Obergrenze (warum stören sich Gewerkschaften überhaupt an hohen Löhnen?), zwischendurch aber auch um ein traditionelleres Gewerkschaftsthema, nämlich die Lohn-Untergrenze. Gebetsmühlenartig war dann jeweils von „Lohndumping“ die Rede, das es zu bekämpfen gelte.

Was ist überhaupt schlimm an Lohndumping? Oder vorweg noch: Was ist überhaupt Lohndumping. Das Wort Dumping ist englisch, to dump, und heisst abladen in einem etwas derben Sinn, eher hinwerfen oder hinschmeissen, so wie man wertlosen Ramsch hinschmeisst. Im wirtschaftspolitischen Bereich wurde und wird diese negative Färbung schon lange gezielt eingesetzt, um etwas zu diskreditieren, was man eigentlich loben sollte: die Unterbietung von Kartellpreisen. Vor allem im internationalen Handel verstanden es schon früh nationale Kartelle, günstige Preise von Importwaren ausländischer Konkurrenz schlecht zu machen. Diese Ware werde ja einfach hingeschmissen, wie billiger Ramsch, unter den Herstellungskosten, diese Importeure legen ja noch drauf – kurz: Dumping, Pfui! Dem müsse ein Riegel geschoben werden. Ein naher Verwandter der Kartelle, der Staat, eilte und eilt dann jeweils zu Hilfe und erlässt beispielsweise Importzölle.

Natürlich eine durchsichtige Heuchelei: In Tat und Wahrheit ging und geht es den nationalen Kartellen um nichts anderes als darum, ihre eigene Marge hoch zu halten, sehr zum Nachteil der Konsumenten. Was ist denn schlimm daran, wenn der Importeur unter den eigenen Kosten verkauft? (abgesehen davon, dass dies in der Regel gar nicht stimmt) Soll man ihn denn zwingen, viel zu verdienen, wenn er sich mit weniger begnügen will? Der Konsument wird’s ihm jedenfalls danken.

Und genau gleich beim sogenannten Lohndumping: Was ist schlimm daran, wenn sich beispielsweise ein Ausländer mit weniger Lohn zufrieden gibt, als es in unserem Land üblich ist. Bei sich zu Hause würde er jedenfalls noch weniger verdienen, sonst käme er nicht hierher. Auch der hiesige Konsument wird’s ihm danken. Denn der Unternehmer, der den günstigen Arbeitnehmer anstellt, wird seine Produkte umso günstiger verkaufen können. Lohndumping nützt also allen. „Schlimm“ ist höchstens, dass die hohen Schweizer Löhne unter Druck geraten. Dies stört wohl die Arbeitnehmerkartelle, doch ist dies natürlich kein legitimer Grund, den Unternehmer von der Anstellung eines günstigen ausländischen Arbeitnehmers abzuhalten. Weder durch faktischen oder juristischen Zwang zu Gesamtarbeitsverträgen, noch durch staatliche Bewilligungshürden. Und schon gar nicht durch heuchlerische Verunglimpfung als „Lohndumping“.

Übrigens: Den Berufsstand, dem ich selbst als Rechtsanwalt angehöre, will ich keineswegs ausnehmen. Im Gegenteil, er ist vielleicht der schlimmste von allen punkto Einkommenskartellisierung und Staatsverbandelung. Von mir aus kann man das Monopol der Anwälte zum beruflichen Auftreten vor Gericht und die dafür geltenden Anwaltstarife ersatzlos streichen. Ich müsste mich dann halt der neuen, vielleicht günstigeren Konkurrenz stellen, zum Beispiel mit einem noch besseren Preis-Leistungs-Verhältnis, aber sicher nicht, indem ich ihr einfach „Lohndumping“ entgegenschleudere – nicht einmal am 1. Mai. 

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