Ein Hoch auf Alice Schwarzer

David Dürr - Basler Zeitung 07.02.2014


Diese Frau ist einfach Klasse. Sie hat Mut, ist gescheit und gewieft in der Debatte. Und vor allem kämpft sie mit unglaublicher Energie, Konsequenz und Entschlossenheit gegen die grossen Ungerechtigkeiten unserer Zeit. Von der Macht und dem Prestige ihrer Gegner fürchtet sie sich nicht. Gegen ein traditionalistisches Establishment anzukämpfen, scheut sie so wenig wie gegen die breite Gedankenlosigkeit einer populistisch verführten Masse. Mit infamen Unterstellungen seitens von beleidigten Majestäten hat sie gleichermassen leben gelernt wie mit primitiven Morddrohungen aus dem Pöbel des Mainstreams. – Alle Achtung!

Zu ihrem Kerngeschäft – die Rechte der Frau – kann ich zwar nicht viel sagen. Ich bin da nicht der Spezialist. Und soweit ich mir eine Meinung dazu bilden sollte, würde ich wohl nicht allen ihren Vor-stössen beipflichten. Etwa dem Verbot von muslimischen Kopftüchern oder der Bestrafung von Prostitutionsfreiern, die sie so energisch fordert. Aber das ist es auch gar nicht, was mir an Schwarzer so gefällt. Was mich an ihr schlechtweg begeistert, ist die Bereitschaft zum Ausleuchten von Tabus und zum Blossstellen der ganz grossen Gesellschaftslügen, ist ihre ständige Aufforderung an die Gesellschaft, auch vor radikalem Umdenken nicht Halt zu machen.

Und geradezu genial ist, wie sie diese ihre radikale Art auch in andere, noch viel brisantere Bereiche ausdehnt. In Bereiche, die noch viel tabuisierter sind als feministische Anliegen (die ja mittlerweile schon eher zum politisch korrekten Mainstream gehören). Ja, sie wagte es, die wirklich grandiosen Gesellschaftslügen unserer Zeit in Frage zu stellen und sich den wirklich unerträglichen Zumutungen zu verweigern. Nämlich den Lügen und Zumutungen des „kältesten aller kalten Ungeheuer“, wie es Nietzsche einmal nannte: „Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.“ Und lesen wir bei Nietzsche gleich weiter: „Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er’s.“

Ungefähr so, vermute ich, dachte Alice Schwarzer, als sie sich entschloss, ihr Geld auf eine Schweizer Bank zu verbringen, um es der nimmermüden Gefrässigkeit des deutschen Fiskus zu entziehen. Für einmal zwar nicht in Schwarzer-Manier offensiv und laut, sondern defensiv und ausgesprochen diskret. Aber Mut brauchte es trotzdem. Ja, es brauchte Mut, so zu denken wie Friedrich Nietzsche. Und es brauchte noch grösseren Mut, auch danach zu handeln. Alice Schwarzer – wen wundert’s – hatte diesen Mut. Alle Achtung auch dafür!

Doch letztendlich war es wohl zu viel des Muts. Die unablässig schrillen Drohungen des deutschen Hochsteuerungeheuers zermürben mit der Zeit selbst eine Schwarzer. Man darf es ihr deshalb nicht verargen, dass sie nun doch noch eingebrochen ist, in aller Öffentlichkeit Abbitte geleistet und dabei so unterwürfig unschwarzerische Worte von sich gegeben hat wie: „Das Konto war ein Fehler. Den bedauere ich von ganzem Herzen.”

Den Rest ihres Lebens wird sie nun halt wieder mit Frauen-Themen verbringen. Auch gut.

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