Ein Hauch von kaltem Krieg

David Dürr - Basler Zeitung 07.03.2014


Nun stehen sie einander wieder feindlich gegenüber, die beiden Weltmächte USA und Russland, und tun wieder so wichtig und drohend wie zu Zeiten des kalten Kriegs. Statt Kennedy und Chruschtschow oder Carter und Breschnew heissen sie jetzt halt Obama und Putin. Und der Vorwand für dieses Getue ist nicht Berlin oder eine Raketenstationierung, sondern jetzt halt die Halbinsel Krim. Warum auch immer. Wohl kaum wegen des begehrten Krimsekts. Jedenfalls scheint es wieder einmal einen Aufhänger dafür zu geben, ein solch pompöses Welttheater aufzuführen.

Soll man sich nun entsetzen ob dieser Entwicklung? Droht nun wieder das Wettrüsten wie damals zwischen den USA mit ihren Nato-Lakaien einerseits und der Sowjetunion mit ihren Vasallenrepubliken anderseits? Droht nun wieder der kalte Krieg mit seinem Gleichgewicht des Schreckens, von dem man doch meinte, es hinter sich gebracht zu haben?

Aber: Warum eigentlich ein Gleichgewicht „des Schreckens“? So schrecklich war das doch gar nicht! Der Krieg war ja gar nicht heiss, sondern eben kalt. Eingesetzt wurden die vielen Waffen vor allem in Manövern, nur sehr vereinzelt ernstfallmässig (wenn man vom Stellvertreterkrieg in Vietnam absieht, wo die USA ihre Bomben in wirklich ganz grossem Stil abgeladen haben). Und immerhin war es ein Gleichgewicht. Das ist ja nichts schlimmes, im Gegenteil. Vor allem bei zwei derart grossen Mächten bringt dies den Vorteil, dass keine der beiden allzu ungehemmt ihre Macht ausübt und sie damit – wie immer bei Macht – missbraucht. Ein Duopol ist allemal weniger schlimm als ein Monopol.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nahm dieses Gleichgewicht dann allerdings ein Ende. Und geradezu schuldbuchmässig kam, was kommen musste: Die USA missbrauchten ihre Macht postwendend. Schneller, plumper und unverblümter, als man sich dies vorstellen konnte. Ihr gewaltiges Waffenarsenal, das sie gegen die Sowjetunion aufgebaut, gegen diese aber nicht einzusetzen gewagt hatte, setzte sie nun massiv ein. Nicht etwa nur drohend wie früher, sondern tatsächlich und mit scharfer Munition. Nicht mehr nur kalt, sondern ausgesprochen heiss: Haiti, Libyen, Panama, Kuwait, Somalia, Sudan, Kosovo, Afghanistan, Irak und diverse südamerikanische Länder unter dem skurrilen Schlachtruf eines „War on Drugs“. Foltergefängnisse und Konzentrationslager wurden schon gar nicht mehr verheimlicht. Und weil ein solch weltweiter Kriegszug so einiges kostet, ging parallel dazu auch ein heiliger und nicht weniger aggressiver Krieg gegen Steuersünder einher. Von dem weiss ja sogar die harmlose Schweiz etwas zu berichten. Nicht zu vergessen die weltweit flächendeckende Abhörung mit perfektionierten Techniken, von denen der KGB und die Stasi nur träumen konnten.

Und noch etwas zeichnet diesen heissen Weltkrieg einer derart geballten Monopolmacht aus: Er stösst nicht auf Widerstand, der ja zwecklos wäre, sondern auf Unterwerfung. Er wird unempört hingenommen. Man arrangiert sich damit. Und nicht selten bringt man gar Verständnis dafür auf, wenn ich daran denke, welch verbreiteten Sukkurs der weltweite Steuerterror der USA findet. Selbst von Spät-68ern, die früher noch gegen den imperialistischen Vietnamkrieg demonstriert hatten.

Da lobe ich mir einen Hauch von kaltem Krieg auf der Krim. 

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