Aasgeier über der Casa Rosada

David Dürr - Basler Zeitung 11.07.2014


Wenn Argentinien demnächst bankrott geht, dann sei dies – sagt die Präsidentin in ihrer prunkvollen Casa Rosada – die Schuld der Aasgeierfond.

Wissen Sie, was Aasgeierfonds sind? Und was bedeutet das eigentlich, wenn ein Staat bankrott geht?

 Aasgeierfonds sind – der Name sagt es – Anlagefonds, die es auf tote oder doch annähernd tote Beute abgesehen haben. Sie kaufen zum Beispiel Obligationen von Schuldnerfirmen, die kurz vor dem bankrott stehen. Das birgt zwar ein grosses Ausfallrisiko, doch schlägt sich dies auch im Preis nieder. Dieser liegt viel tiefer als der Nominalwert der Forderung, die man kauft, zum Beispiel bei nur gerade 10%. Für den Verkäufer der Obligation, der ursprünglich 100% bezahlt hat, ist es natürlich schmerzhaft, wenn er nun 90% abschreiben muss. Doch würde er die Obligation behalten und auf bessere Tage hoffen, würde er mit grosser Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts mehr bekommen. Also ist er froh, zumindest den 10%-Spatz in die Hand zu bekommen, als nach der 100%-Taube auf dem fernen Dach zu streben. Da kommt der so verschrieene Aasgeierfonds gerade recht. Denn nur weil er es auf die 100%-Taube auf dem Dach abgesehen hat und ihm dies einen 10%-Spatz wert ist, kommt es überhaupt zum Deal. Beide Seiten bekommen das, was sie aufgrund ihres unterschiedli­chen Risikoprofils wollen.

Für den Fonds aber beginnt erst jetzt die grosse und teure Arbeit. Aufreibende Verhandlungen, Ge­richtsverfahren, Vermittlungsversuche mit einer Gegenpartei, welche die Taktik der Verzögerung beherrscht und sich erst noch jederzeit in den Konkurs abmelden könnte, was von der 100%-Taube meist nicht mehr viel übrig lässt. Auch mit rhetorischen Gegenangriffen hält sich die Gegenpartei nicht zurück: Nackte Profitgier wirft sie dem Gläubiger vor. Unanständig sei das, was er da mache. Das sei ja ein Verhalten wie das eines – eben – Aasgeiers. Dabei tut der nichts anderes, als die Schuldnerin bei dem zu behaften, was sie selbst einmal in aller Feierlichkeit und Wichtigkeit versprochen hat, nämlich die Obligation zurückzu­zahlen, und zwar zu genau 100%.

Besonders feierlich und wichtig kommen solche Rückzahlungsversprechen daher, wenn es sich bei der Schuldnerfirma um einen Staat handelt, beispielsweise nun eben um Argentinien. Das Problem ist nur, dass dieser Staat gar kein solcher ist. Er tut nur so, wie wenn er das ganze Volk und das ganze Land verkörpern würde. Bei näherem Hinsehen ist er aber nichts anderes als eine ziemlich windige Firma, die einer kleinen Protagonistenclique gehört, die in allererster Linie für sich selbst schaut. Kein Wunder ist das viele Geld, das diese Firma mit ihren feierlichen Rückzahlungsversprechen am Kapi­talmarkt aufnimmt, schon nach kurzer Zeit verschwendet, verprasst und versickert ist. Und wenn sie nun ihre Versprechen nicht mehr 100%-ig einhalten kann, so soll sie – wie jede andere Firma auch – bankrott gehen. Und wie bei jeder anderen Firma müsste dies bedeuten, dass sie liquidiert wird und dann zu existieren aufhört.

Das schöne Land Argentinien und seine 40 Millionen Einwohner blieben natürlich trotzdem bestehen. Bloss müssten sie inskünftig ohne die Protagonistenfirma in der Casa Rosada auskommen. Das wird ihnen nicht schwer fallen, im Gegenteil. Sie werden es den Aasgeiern zu danken wissen.


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