Vergesst die Deregulierung!

David Dürr - Basler Zeitung 13.03.2015


Wie recht sie doch haben, diese bürgerlichen Politiker mit ihrer Empörung über den abtötenden Paragraphendschungel und die wuchernde Bürokratie. Und wie unrecht sie gleichzeitig haben mit ihrer Forderung nach Mässigung des Staates. Das ist zwar gut gemeint, aber etwa gleich absurd, wie zu fordern, man müsse die Schwerkraft reduzieren. Der Staat kann gar nicht anders als wachsen. Das ist ein Naturgesetz. 

In den letzten Wochen ertönen diese nutzlosen Rufe nach Deregulierung und Bürokratieabbau wieder besonders laut. Anlass sind die Wirtschaftsprobleme, die uns die Nationalbank mit ihrem dreijährigen Aufstauen normaler Wechselkursschwankungen eingebrockt hat. Angesichts solcher Erschwernisse vor allem für die Exportwirtschaft sind die unzähligen Schikanen des Bewilligungswesens, der Mehrwertsteuer, der Mindestlohnkontrollen, der obligatorischen Angestelltenversicherung und –vorsorge natürlich besonders ärgerlich, von der direkten steuerlichen Belastung schon gar nicht zu reden. 

Dass sich hiergegen nun letzte Woche in Bern eine „Deregulierungs-Allianz“ der bürgerlichen Bundesparteien SVP, FDP und CVP zu Wort gemeldet hat, ist ja durchaus sympathisch. Doch anderseits aber auch erstaunlich naiv. Es wird ja wohl kein einziger dieser Bundespolitiker im Ernst daran glauben, das zentralstaatliche Regulierungsgestrüpp, das Überwachungs- und Kontrollnetz, die steuerliche Belastung oder die sogenannte Fiskalquote seien in zehn Jahren tiefer als heute. Gerade die Bürgerlichen müssten es doch wissen, hatten sie doch vor über 30 Jahren die couragierte Losung nach mehr Freiheit und weniger Staat herausgegeben. Und was ist daraus geworden? Mehr Staat und weniger Freiheit. Mehr als eine Verdoppelung der bundesrechtlichen Erlasse, vor allem im Bereich der Wirtschaftsregulierung, ein Ausbau des Informations- und Bespitzelungswesens im Steuerbereich und nicht zuletzt eine markante Zunahme der Fiskalquote. Und das waren nicht nur die bösen Linken, die uns das beschert haben, die sogenannt Bürgerlichen waren mit im Umzug der Regulierer. Es will nicht einleuchten, weshalb es gerade jetzt eine Trendumkehr geben soll.

Denn die Mechanismen, die eine Trendumkehr bewirken könnten, sind beim Staat definitionsgemäss ausgeschaltet. Seine Bundes-, National- und Ständeräte müssen sich nicht am Markt bewähren. Die Leute hierzulande sind nicht ihre Kunden, sondern Zwangsmitglieder. Ob diese all die staatlichen Beglückungen wollen und ob sie sie gerade vom Staat wollen, interessiert diesen nicht wirklich. Mit Freundlichkeit, mit noch besserem Service und mit noch günstigerem Preis um Kundschaft werben muss er nicht. Das Geld muss er sich nicht verdienen; er holt es sich ungefragt als Steuern. Und die ultimative Quittung für all diese Ruppigkeit, der Konkurs nämlich, gilt für den Staat nicht. Dafür hat er mit seinen selbst gemachten Gesetzen gesorgt.

Solange der Staat all diese Unarten aufweist – und ohne sie wäre er nicht der Staat – wird er gar nicht anders können, als mit naturgesetzlicher Notwendigkeit seine Bürokratie und seinen Paragraphenwald weiter wuchern zu lassen und damit die Freiheit wie auch den Wohlstand der Leute immer weiter zu schmälern. Erst wenn er aufhört, Staat zu sein, kann Hoffnung keimen.

Vergesst die Deregulierung, Ihr Bürgerlichen, schafft den Staat ab!

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