Krawattenverbot

David Dürr - Basler Zeitung 19.07.2013


Das Bundesgericht hat dieser Tag entschieden, dass zwei muslimische Mädchen im Kanton Thurgau in der Schule das Kopftuch tragen dürfen. Die Schulbehörde hatte dies verbieten wollen. Gar nicht glücklich mit diesem Entscheid sind einige rechts- und einige christlichbürgerliche Politiker. Doch sie schöpfen auch Hoffnung. Denn das Bundesgericht hatte das Kopftuch nämlich nur deshalb erlaubt, weil es in diesem Thurgauer Fall keine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot gab. Also müsste man doch nun einfach klare Gesetzesgrundlagen ausarbeiten und in die kantonalen Parlamente einbringen!

Ob es allerdings mit einer solchen Grundlage tatsächlich gelingen wird, das Kopftuchverbot durchzusetzen, ist offen. Denn das hat das Bundesgericht nicht gesagt (es sagt nie mehr als unbedingt nötig). Vielleicht wird es ja, wenn ein nächster Fall dereinst mit einer extra dafür geschaffenen Gesetzesgrundlage zu beurteilen ist, das Kopftuchverbot trotzdem aufheben. Beispielsweise mit dem Argument, das Verbot verletze den Verfassungsgrundsatz der persönlichen Freiheit oder die Religionsfreiheit oder das Diskriminierungsverbot. Ich hätte deshalb für die eifrigen Gesetzesformulierer ein paar Tipps, wie man solche Kopftuchverbotsgesetze möglichst anfechtungsresistent ausgestalten könnte. Damit es nicht heisst, das Verbot richte sich nur gegen Frauen oder nur gegen den Islam, könnte man das Corpus Delicti etwas neutraler und umfassender fassen, etwa so:

 „Verboten ist das Tragen von Kopf- und Gesichts-Accessoires, die demonstrativ die Zugehörigkeit zu einer aggressionsbereiten Gruppierung zum Ausdruck bringen, wie Fanschals, Krawatten, Kopftücher und dergleichen. Das Verbot gilt für öffentliche Veranstaltungen und in öffentlichen Räumlichkeiten, wie bei Fussballspielen, Generalversammlungen oder an Schulen“.

 Auf diese Weise lässt sich die Problematik des Kopftuchs elegant generalisieren. Denn auch ein FCB-Fanschal hat ja einzig den Zweck, sich als Teil einer kompakten Gruppierung zu präsentieren. Diese ist zwar freundlich, fröhlich und in aller Regel auch friedlich. Doch was will ein FCB-Fan letztlich lieber, als über den FCZ-Fan oder wer auch immer einen anderen Fanschal trägt, nach dem Match zu triumphieren. Auch die Krawatte ist ja nichts anderes als eine Demonstration der Zugehörigkeit zum bürgerlichen Wirtschafts- oder Politestablishment, dem eine gewisse Aggressivität ja nicht abzusprechen ist. Denn was will diese Gruppierung letztlich anderes, als im Wirtschaftskampf zu obsiegen, andere Firmen zu erobern, die nächsten Wahlen zu gewinnen. Und Analoges wird man – wenn man lange genug sucht – auch beim muslimischen Kopftuch finden.

Jedenfalls könnte man auf diese Weise die Chance des Kopftuchverbots vor Bundesgericht erhöhen und damit auch die Aussicht, dass schon bald in Schweizer Schulen kein einziges Kopftuch mehr zu sehen ist. Als kleinen Nachteil wird man zwar hinnehmen müssen, dass es inskünftig bei Fussballspielen an den Eingängen nebst den Pyro- auch rigorose Fanschal-Kontrollen gibt. Etwas umständlich wird es wahrscheinlich auch bei grossen Generalversammlungen, wenn tausende von männlichen Aktionären an der Garderobe die Krawatte abgeben und nach dem Anlass wieder herholen müssen.

Die Durchsetzung des Kopftuchverbots wird da einfacher sein, geht es ohnehin doch nur um wenige Einzelfälle.

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