Ein Kränzlein für Wladimir

David Dürr - Basler Zeitung 20.09.2013


Wladimir und ich sind fast gleichzeitig auf die Welt gekommen, er nur wenige Tage nach mir. Wir hätten Bettchen neben Bettchen im Säuglingszimmer der Geburtsklinik liegen können, wäre er wie ich in Basel und nicht in Leningrad zur Welt gekommen. Eine gewisse Verbundenheit zu ihm spüre ich jedenfalls.

Eine Gemeinsamkeit haben wir auch insofern, dass wir später ungefähr gleichzeitig Jus studierten. Auch haben wir dann beide eine Doktorarbeit geschrieben, er zwar in einem anderen Fach. Während ich nur 182 harzig erarbeitete Seiten zustande brachte, legte er elegante 218 Seiten vor, die denn auch eine ansehnliche Aufmerksamkeit fanden – wegen Plagiatsverdachts. Wirklich untersucht wurde dies zwar nie, das Gerücht hält sich aber hartnäckig. Den Stab über Wladimir brechen will ich trotzdem nicht.

Später hat er dann eindrücklich Politkarriere gemacht. Gerhard Schröder, der damalige deutsche Bundeskanzler, lobte ihn als einen „lupenreinen Demokrat“. Das stimmte und stimmt natürlich überhaupt nicht. Ausser man versteht unter Demokratie das, was Schröder darunter versteht: ein ziemlich totalitäres Herrschaftssystem, das den Leuten mit Werbe- und anderen Tricks vorspielt, sie seien das souveräne Staatsvolk. Das beherrscht Wladimir meisterhaft. Etwa als er sich für eine dritte Amtszeit als Staatspräsident wählen liess, obwohl die russische Verfassung nur zwei Amtszeiten zulässt. Der Trick bestand darin, nach der zweiten Amtszeit kurz einen Strohmann dazwischenzuschieben, so dass Wladimir dann wieder „neu“ zum Präsidenten gewählt werden konnte. Und trotzdem, auf Wladimir lasse ich nichts kommen.

Dies zwar nicht wegen der Art und Weise, wie er mit seinen politischen Widersachern umgeht. Dass er den Oligarchen Chodorkowski für Jahre nach Sibirien wegsperrte, bloss weil der ihn öffentlich kritisiert hatte, ist ja nicht die Art des feien Mannes. Dass Wladimir stattdessen umso ungehemmter seinen eigenen Reichtum äufnet, aber ständig behauptet, er habe bloss sein kleines Präsidentengehalt, zeugt nicht gerade von Aufrichtigkeit. Schon eher von verstohlener Geheimniskrämerei, die er vermutlich in jungen Jahren als KGB-Spitzel erlernt hat. Auch zu brutaler Gewalt scheint er wenig Berührungsängste zu haben, wenn man an seine Nähe zum unzimperlichen Tschetschenenführer Kadyrow denkt. Aber gleichwohl, bitte nichts gegen Wladimir.

Und Wladimir persönlich? Naja. Allerdings kenne ich ihn nur gerade vom Fernsehen und aus der Zeitung, kann seine Persönlichkeit also nicht wirklich beurteilen. Ich habe bloss schon gelesen, Empathie und wahre Autorität seien nicht seine Stärken, schon eher Egoismus und Verklemmtheit, die mit verkrampfter Aufblusterung überspielt werden. Doch lassen wir das.

Was dieser Wladimir Wladimirowitsch Putin nun aber wirklich hervorragend macht, ist, wie er den selbsternannten amerikanischen Weltpolizisten stoppt, wie er ihn in der Syrienaffäre ausbremst, ihn in der New York Times wegen Kriegstreiberei anprangert und ihm den Whistleblower Snowden wegschnappt. Alle Achtung, Wladimir, der Dank der Welt gebühre dir – oder wenigstens mein ganz persönliches Kränzlein.

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