Mehr Lobby im Bundeshaus!

David Dürr - Basler Zeitung 22.05.2015


Das Problem mit dem Lobbyismus im Bundeshaus ist ja nicht, dass es diese Lobby gibt, sondern dass Lobbyismus im Bundeshaus ein Problem ist. Oder andersrum: Warum eigentlich sollte man nicht Einfluss nehmen dürfen auf die Parlamentarier dort in Bern? Schliesslich nehmen sie auf uns ja auch Einfluss, und sogar ziemlich zünftig.

Das Problem ist halt, dass die Bundesverfassung eine solche Einflussnahme ausdrücklich verbietet. Der betreffende Artikel lautet so:

„Art. 161 Instruktionsverbot Die Mitglieder der Bundesversammlung stimmen ohne Weisungen.“

Da haben wir’s. Es ist verboten, den Parlamentariern Weisungen zu erteilen. Und den Parlamentariern ist es verboten, solche entgegen zu nehmen und zu befolgen. Das mag ja noch einleuchten, wenn es – wie kürzlich – um Weisungen eines kasachischen Politmagnaten geht, der einer etwas unbedarften Nationalrätin ohne grössere Hemmungen auch gerne mal ausformulierte Parlamentsvorstösse liefert. In der Tat nicht gerade das, wofür ein schweizerisches Parlamentsmitglied gewählt ist.

Doch das verfassungsmässige Instruktionsverbot geht viel weiter. Es verbietet auch den schweizerischen Stimmbürgern, den von ihnen gewählten Parlamentariern Weisungen zu erteilen. Und das ist doch eigentlich erstaunlich. Denn der Staat und seine Staatsrechtsgelehrten erzählen uns doch ständig, die Parlamentarier in Bern seien unsere Vertreter. Vor allem vor Wahlen ist immer wieder feierlich von „Volksvertretern“ die Rede, die man jetzt bitte wählen und nach Bern entsenden möge. Auch hat man vor Wahlen schon medienwirksame Vertragsunterzeichnungen inszeniert, bei denen die Kandidaten den Auftrag ihrer Wähler entgegennehmen und unterschriftlich versprechen, die Interessen ihrer Auftraggeber getreulich zu vertreten.

Man mag dies als oberflächliche Shows abtun, aber irgendwie trifft es den Gedanken der demokratischen Legitimation des parlamentarischen Gesetzgebers gar nicht so schlecht. Demokratie bedeutet ja Volksherrschaft; also sollte es eigentlich das Volk sein, das in Bern zusammenströmt und dort die Gesetze beschliesst. Und nur weil dies ein etwas gar grosses Gedränge gäbe und weil auch nicht alle ständig zur Produktion von Gesetzen nach Bern reisen mögen (es gibt ja noch spannenderes), schickt man dann halt einige „Volksvertreter“ hin. Da ist nicht einzusehen, weshalb die damit erteilte Vollmacht zwingend eine Blankovollmacht sein muss, weshalb ich dem von mir Bevollmächtigten nicht auch ganz konkrete Instruktionen mit auf den Weg geben darf. Ja eigentlich sollte ich ihn jederzeit sogar absetzen oder, wenn er meine Weisungen nicht befolgt, auch persönlich belangen dürfen.

Dass all dies von Verfassungswegen verboten ist, zeigt, dass diese ganze Bundesstruktur mit Stellvertretung, mit einem Volksauftrag oder mit Vollmachterteilung rein gar nichts zu tun hat. Das ist nichts anderes als eine staatlich verordnete Zwangsdelegation von immerhin 8 Millionen Landesbewohnern an ein winzig kleines Grüpplein von gerade mal 246 Leuten; und dies mit unwiderruflicher Blankovollmacht. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, wie man diese Staatsform nennen soll: „Diktatur“ tönt vielleicht etwas gar hart, „Aristokratie“ wohl zu edel, „Volksbetrug“ zu ungehobelt – sicher falsch ist jedenfalls „Demokratie“.

Zurück zu den Medien