Heilige Allianz

David Dürr - Basler Zeitung 23.08.2013


Höchst bemerkenswert, diese „Sonntagsallianz“ aus kirchlichen und linken Gruppierungen, die derzeit mit vereinter Kraft gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes ankämpft. Bemerkenswert vor allem, weil die beiden Allianzpartner ja auch schon ziemlich giftig übereinander gelästert haben. Was sind doch die sozialistischen Urväter und Urmütter schon über die „Pfaffen“ hergezogen und über die Religion als „Opium für das Volk“. Und wie wenig schmeichelhaft haben sich schon päpstliche Enzykliken und reformierte Pastoren gegen den gottlosen Sozialismus gewandt, der ein diesseitiges Paradies propagiere, statt das Jenseitige zu betonen.

Doch nun haben sie sich gefunden. Der gemeinsame Nenner ist zwar ziemlich klein, er beinhaltet gerade mal den Kampf für die Beibehaltung des Autobahn-Tankstellenshop-Nacht- und Sonntags-Bratwurst-Verkaufs-Verbots (kurz ATNSBVV), beileibe nicht das grosse Thema. Es sei denn – so nun die Kirchlichen der Sonntagsallianz – man halte das ATNSBVV für eine Vorschrift von allerhöchster Warte. War es nicht schon der Weltenschöpfer höchstpersönlich, der sich nach sechs Produktionstagen eine Pause gönnte? Und war nicht er es, der im 2. Buch Mose gleich mehrfach und mit Nachdruck speziell auf einem Gebot bestand, nämlich dass der Sonntag und damit auch das ATNSBVV zu heiligen seien. Da gibt’s nichts zu hinterfragen, eine Verletzung des ATNSBVV ist böse an sich. Dies motiviert zum heiligen Kampf und vereinfacht zudem die Diskussion.

Und vor allem entbindet dies von der lästigen Frage, mit welchem Recht man das ATNSBVV auch denen vorschreiben darf, die es nicht wollen. Auf diese Frage haben Kirchen noch nie viel Aufmerksamkeit verschwendet. Denn was gottgewollt ist, muss nicht auch menschengewollt sein. Missionare haben nicht den Auftrag, überzeugte Anhänger zu finden, sondern den wahren Glauben flächendeckend zu verbreiten. Individuelle Zustimmung ist entbehrlich, göttliche und damit objektive Richtigkeit genügt. Rein taktisch wird es sich zwar empfehlen, den einen oder anderen Bekenner zu gewinnen, um den Eindruck einer gewissen Akzeptanz zu suggerieren. Umso leichter kann man dann das ganze Land für bekehrt erklären, selbst wenn nur ganz wenige, vielleicht 10 bis 20%, den Glauben wirklich angenommen haben.

Ganz in dieser Art soll nun gemäss Sonntagsallianz auch das ATNSBVV im ganzen Land weitergelten, flächendeckend, nicht nur für jene, die ihm zustimmen. Und so hat die baldige Abstimmung nicht etwa den Zweck, Anhänger für das ATNSBVV zu gewinnen. Es wird genügen, den Eindruck einer gewissen Akzeptanz zu suggerieren. Denn etwas ist schon jetzt klar: Auch wenn das ATNSBVV in der Abstimmung obsiegen sollte – wir hoffen es ja nicht – so werden es höchstens 10 bis 20% der Bevölkerung gewesen sein, die gegen dessen Abschaffung gestimmt haben. Dass das ATNSBVV dann trotzdem auch für alle anderen im Land gelten soll, wird wohl mit objektiver göttlicher Richtigkeit zu tun haben.

Kein Wunder, springen selbst gottlose Sozialisten aufs Trittbrett einer solch wirksamen Sonntagsallianz.

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