Ganzkörperver- und -enthüllung

David Dürr - Basler Zeitung 23.10.2015


Waren Sie auch etwas verwirrt kürzlich ob dieser widersprüchlichen Meldungen? Über erzwungene Ganzkörperverhüllungen, die man verbieten soll. Und über freiwillige Ganzkörperent­hüllungen, die nicht mehr nötig seien. Angerichtet haben diese Verwirrung die SVP und Playboy. Playboy mit seiner Ankündigung, von seinem langjährigen Markenzeichen der Gesamtkörperenthüllung abzurücken. Und einige SVP-Exponenten mit ihrer neusten Initiative für ein nationales Verbot der Ganz­kör­perver­hüllung. Ich habe nun mal versucht, etwas Ordnung in diese Begrifflichkeiten zu bringen.

Da haben wir einerseits diesen Playboy, quasi den Urvater aller Hochglanz-Männermagazine. Mit sei­nen betörenden und oft berühmten Schönheiten, bei denen jeweils auffällt, dass sie ganzkör­perent­hüllt sind. Auch bei jenen Körperteilen, bei denen die etwas prüde Gesellschaft der 50er-Jahre be­sonderen Wert darauf legte, dass sie verhüllt seien. Das war ein echter Schock, als Playboy damals mit solchen Bildern aufwartete. Und es brauchte nicht nur eine Portion Frechheit, son­dern vor allem auch Mut. Sowohl von den abgebildeten Damen als auch vom Herausgeber des Maga­zins. Gesell­schaftlich verwurzelte Zwänge aufzubrechen, ist nicht einfach. Sogar wenn es um so Nebensächliches wie um Kleidungsgewohnheiten geht.

Dass Playboy seine Models nun neustens bloss noch teilunverhüllt auftreten lässt, passt gar nicht so schlecht zu diesem Mut. Denn Ganzkörperenthülltheit ist längst nicht mehr das Ungewohnte. Dafür sorgt das Internet, dieser stärkste Konkurrent der Männer-Magazine. Da braucht es fast schon etwas Mut, zumindest Teile der schönen Körper wieder zu verhüllen.

Und da haben wir anderseits diese SVP. Ihr geht es überhaupt nicht um Befreiung aus gesell­schaftli­chen Prüderiezwängen, sondern gegenteils um rigorose Vor­schriften darüber, welche Klei­dung sich für Frauen geziemt. „Frei bleiben – SVP wäh­len“, las man zwar eben noch auf Wahlplakaten. Doch hier nun kämpft die gleiche SVP mit Inbrunst für das Gegenteil davon. Für noch mehr staatliche Zwänge. Sogar wenn es um so Nebensächliches wie um Kleidungsgewohnheiten geht.

Zwar hat auch dies mit Frechheit zu tun, doch nicht mit aufmüpfiger Frechheit, bornierte Zwänge bloss­zustellen, son­dern mit arroganter Frechheit, bornierte Zwänge anzuordnen.

Und mit Mut hat es erst recht nichts zu tun. Mutlos versteckt sich die Verhüllungsinitiative hinter dem eigenen Text. Mit ihrem „Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts“ lenkt sie ab davon, dass sie nichts anderes als die Ganzkörperverhüllung muslimischer Frauen im Visier hat. Sie tut so, wie wenn es ihr um die gesichtsverhüllten Randalierer des Schwarzen Blocks am Ersten Mai ginge. Ein solcher prangt denn auch gut sichtbar auf dem Plakat des Initiativkomitees. Fast unbemerkt daneben steht dann auch noch eine verhüllte Mus­lima, die – so soll es scheinen – irgendwie zum Schwarzen Block gehört und sicher unter ihrer Ganzkörperverhüllung einen Molotow-Cocktail versteckt hält.

In einer Hinsicht immerhin hält es die SVP mit Playboy. Denn ihr Gebot, das Gesicht zu enthüllen, enthält ja auch die Möglichkeit, den Restkörper zu verhüllen. Im Ergebnis also ganz im Sinn von Play­boy, dem es bei seiner neu propagierten Teilkör­perverhüllung auch nicht darum geht, just das Gesicht der schönen Models zu verhüllen. 

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