Zu gross, um zu fallieren?

David Dürr - Basler Zeitung 27.02.2015


Es gibt da in Bern ein grössere Firma mit etwa 40‘000 Angestellten. Ihre offizielle Unternehmensidentifikationsnummer ist CHE-114.587.210, ihre offizielle Adresse Bundesplatz 3, 3011 Bern, ihr offizieller Name „Confédération suisse“ mit den offiziellen Übersetzungen „Schweizerische Eidgenossenschaft“ und „Confederazione Svizzera“. Eine Firma halt, so weit, so banal.

Nun hat diese Firma aber ein akutes Finanzproblem. Vor wenigen Tagen liess sie verlauten, der Abschluss 2014 sei entgegen dem Budget nicht mit einem Gewinn, sondern mit einem Defizit von 124 Millionen ausgefallen. Und auch für die Zukunft sehe es wegen generell tieferer Einnahmen schlecht aus. Reserven hat die Firma keine. Sie ist im Gegenteil massiv überschuldet. Ihren Aktiven von 105 Milliarden stehen Passiven von 132 Milliarden gegenüber. Das ergibt ein negatives Eigenkapital von 27 Milliarden oder von 26 Prozent. Oder etwas weniger elegant ausgedrückt, sie ist in Schieflage. Dies wiederum bedeutet, dass sie – wie es das Obligationenrechts (OR) vorschreibt – ihre Bilanz deponieren, das heisst die eigene Abwicklung auslösen muss. Das kann zwar dazu führen, dass ihre Geldgeber zu Schaden kommen. Doch wird damit vermieden, dass die Firma ungehemmt weiterwurstelt und der Schaden in Zukunft noch grösser wird. So weit, wenn auch schmerzhaft, so sinnvoll.

Nun schert sich unsere Firma aber keinen Deut um die Regeln des OR. Die gelten für sie nämlich nicht, sagt sie. Und wenn sie das sage, dann sei das so. Denn sie selbst sei in diesem Land zufälligerweise dafür zuständig, die Regeln aufzustellen. Und so habe sie nun die Regel aufgestellt, dass die Regeln des OR nur für alle anderen, aber nicht für sie selbst gelten. Sie müsse deshalb nun nicht die Bilanz deponieren, sondern es gelte die Regel, dass sie ungehemmt weiterwursteln dürfe. Und genau dies tue sie nun. So weit, so bemerkenswert.

Nun birgt dies aber besondere Gefahren. Nicht nur – wie eben erwähnt – für die Geldgeber, sondern auch in anderer Hinsicht. Denn unsere Firma ist ausgesprochen „systemrelevant“. Das heisst, sie ist mit den Abläufen und Strukturen unserer Gesellschaft derart eng und vielfältig verflochten, dass ihr Kollaps noch viele andere Firmen und Haushalte mit in den Abgrund reissen würde. Umso wichtiger müsste es eigentlich sein, dass sie nicht ein negatives, sondern ein besonders starkes positives Eigenkapital hat; und dass sie, falls es mit der Sanierung nicht klappen sollte, zügig aber kontrolliert abgewickelt wird. So weit, so akut.

Nun weiss dies unsere Firma natürlich ganz genau, weshalb ihr auch die kürzliche Verlustwarnung so peinlich war. Um nun aber davon abzulenken, lancierte sie genau zeitgleich eine Kampagne zur Verschärfung der sogenannten Zu-gross-um-zu-fallieren-Regeln. Das sind Regeln für „systemrelevante“ Firmen, die mit den Abläufen und Strukturen unserer Gesellschaft derart eng und vielfältig verflochten sind, dass ihr Kollaps noch viele andere Firmen und Haushalte mit in den Abgrund reissen würde. Sie sollen deshalb ein noch stärkeres positives Eigenkapital haben als bisher; und falls es mit der Sanierung nicht klappen sollte, sollen sie kontrolliert, aber zügig abgewickelt werden. Und wie schon beim OR, so sollen auch diese Regeln nur für alle anderen gelten.

So weit, so ...


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