Minarchie versus Anarchie

David Dürr - eigentümlich frei 01.11.2017


Einmal in der Welt, entwickelt sich das Ungeheuer

Bisweilen höre ich von anderen Staatskritikern, mein explizites Werben für Anarchie sei zu extrem. Den Staat insgesamt abzulehnen, gehe doch etwas gar weit. Ihn auf ein Minimum zu reduzieren, tue es doch auch. Warum nicht lieber die moderate Minarchie statt die so extreme Anarchie?

Solche Einwände sind manchmal bloss taktisch gemeint, quasi als Empfehlung für ein psychologisch geschickteres Vorgehen: Wenn man allzu unverblümt von Anarchie rede, wecke dies Ängste und damit Widerstände. Langfristig mag man sich die vollständige Überwindung des Staates ja gleichwohl vornehmen, davon reden könne man aber auch erst später; etwa dann, wenn man den Minimal­staat erreicht hat und es nur noch darum geht, auch noch diesen abzuschaffen.

Ich bin ob solchen Taktierens skeptisch, aus verschiedenen Gründen: Erstens ist es eine Frage der Ehrlich­keit, seine Ziele zu deklarieren, vor allem wenn sie derart radikal sind wie beim Anarchismus. Zwei­tens besteht das Risiko, bei irgendeiner Gelegenheit sozusagen als verkappter Anarchist ertappt zu werden, was strategisch kontraproduktiv sein könnte. Und drittens ist Minarchie nicht einfach eine weniger weit gehende Form von Anarchie, sondern etwas grundsätzlich anderes: Minarchie befürwortet den Staat und damit das Privileg, andere Menschen auch dann zu beherrschen, wenn sie dies nicht wol­len; Anarchie dagegen lehnt ein solches Privileg ab.

Damit sind wir bei den strategischen Einwendungen des Minarchismus gegen den Anarchismus. Sie begründen ihr Plädoyer für einen Minimalstaat in der Regel damit, ein solcher sei notwendig zur Auf­rechterhaltung von Ruhe und Ordnung, von Sicherheit und Schutz des Eigentums, also für die Funkti­onen des sprichwörtlichen Nachtwächterstaats. Das entspricht einer alten Tradition, deren wohl prominenteste Artikulierung Thomas Hobbes‘ „Leviathan“ war, dem alle ihr Gewaltpotenzial zu Füs­sen legen, auf dass er mit seinem landesweit institutionalisierten Gewaltmonopol gewähr­leiste, dass es nicht zum permanenten Krieg aller gegen alle komme. Nun ging es Hobbes aber nicht darum, den damals im 17. Jahrhundert tobenden englischen Bürgerkrieg durch einen neutralen Machthaber zu beenden, sondern für eine der Kriegsparteien, nämlich den König, Partei zu ergreifen. Kein Wunder enthielt seine hochgestochene Propagandaschrift so absurde Fiktionen wie diejenige eines Vertrags, mit dem alle dem König ein Monopol zur Ausübung von Gewalt einräumen. Ironischer­weise kam es dann ziemlich anders: es obsiegte die Gegenpartei, das Parla­ment, und köpfte den König.

 Aber auch sonst erscheint es nicht eben plausibel, dass man die Befriedung der Gesellschaft just mit einem Monopol angehen sollte. Im Gegenteil, gerade im Bereich der Gewalt gibt es wohl kaum eine dümmere Empfehlung, als sie einem Monopolisten anzuvertrauen. Dann kommt nämlich genau das her­aus, was seither mit dem Gewaltmonopol angerichtet wurde und wird: Gewaltsame Durchsetzung nicht etwa von Eigentumsrechten Privater, sondern von eigenen Interessen des Staates: Steuerraub­züge, Zwangsrekrutierungen, Drogen- und andere -prohibitionen, sogenannter Staatsschutz und vieles mehr. Und all dies immer wieder begleitet von Gewaltexzessen, Folterkellern, Vernichtungsla­gern, Lokal- bis hin zu Weltkriegen. – Minarchie eben. 

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