In Sachen Spanien versus Katalonien

David Dürr – eigentümlich frei April 2019


Inzwischen hat ja nun dieser politische Schauprozess beim obersten Gericht des spanischen Zentralstaats in Madrid begonnen. Der Prozess ist auf mehrere Wochen angesetzt, es sollen zahlreiche Zeugen einvernommen werden. Angeklagt sind katalanische Politiker, die das Verbrechen begangen haben, die Zwangsmitgliedschaft Kataloniens beim spanischen Zentralstaat in Frage zu stellen und im Rahmen einer Volksbefragung auch noch die anderen Katalanen gefragt zu haben, ob sie gleicher Meinung seien. Die Zentralstaatsanwaltschaft beantragt Gefängnisstrafen bis zu 25 Jahren. Und der zentralstaatliche Gerichtspräsident erklärte vor Beginn des Prozesses gegenüber Journalisten ziemlich selbstbewusst, er und seine Richterkollegen wollen nun vor der ganzen Welt die Rechtsstaatlichkeit Spaniens mit einer völlig unabhängigen Justiz beweisen.

Ja, Sie haben recht gelesen: „unabhängig“ sei diese Justiz. Das sagen Richter, die bei einer der beiden Streitparteien angestellt sind, die ihren Lohn jeden Monat von einer der beiden Streitparteien auf ihr privates Bankkonto überwiesen bekommen, die zudem jeden Monat von der gleichen Streitpartei einen Arbeitgeberbeitrag in ihr Pensionsguthaben einbezahlt bekommen, und dies schon seit vielen Jahren und auch in Zukunft bis zur Pensionierung. Angesichts dessen von Unabhängigkeit zu reden, ist dezent ausgedrückt: bemerkenswert, oder weniger dezent: gelogen und die Leute für dumm verkauft.

Natürlich hätten die zentralstaatlichen Richter, würde ihnen diese Lüge vorgehalten, eine elegante Ausrede zur Hand; eine Ausrede, die man seitens staatlicher Gerichte den Leuten schon seit etwa 300 Jahren auftischt und über die etwas näher nachzudenken man sich mittlerweile längst abgewöhnt hat, nämlich die Ausrede der Gewaltenteilung: Die Staatsmacht sei nämlich nicht in einer einzigen Organisation unkontrollierbar zusammengeballt, sondern aufgeteilt in verschiedene Gewalten, namentlich die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Mit diesen lateinischen Fremdwörtern tönt das sehr feierlich und ernsthaft. Etwas genauer überlegt ist es aber eine veritable Lachnummer.

Man kann den Vergleichstest machen: Nehmen Sie an, Sie seien im Streit mit einem grossen Unternehmen, z.B. einer Pharmafirma, deren Medikamente Ihnen gesundheitliche Schäden zugefügt haben und wollen sie vor Gericht ziehen. Diese erklärt sich nun bereit, sich einem Gerichtsurteil zu unterziehen, verlangt aber, dass die Richter ausschliesslich aus dem Kreis ihrer Angestellten gestellt und dass die auf den Fall anwendbaren Regeln ebenfalls von ihr erlassen werden. Auf Ihren Einwand hin, das könne ja wohl nicht ernst gemeint sein, erklärt ihnen nun die Pharmafirma allen Ernstes, sie habe in ihrer Unternehmensstruktur eine sogenannte „Gewaltenteilung“ eingerichtet; die Richterangestellten und die Gesetzgeberangestellten seien nämlich in jeweils separaten Abteilungen untergebracht und deshalb vom Rest des Unternehmens, vor allem von der starken Exekutivzentrale, völlig unabhängig. – Eine Lachnummer, nicht?

Oder noch ein anderer Test: Wie würde wohl das Gericht in Madrid reagieren, wenn die Angeklagten den Antrag stellen, es solle der Streit vom obersten katalonischen Gericht und nach rein katalonischem Recht beurteilt werden?


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