Lizenz zum Töten

David Dürr - eigentümlich frei Dezember 2018


Staaten haben die Lizenz zum Töten. Und wie das so ist, wenn man eine Lizenz hat: macht man Ge­brauch davon. Das ist ja ganz normal. Erstaunlich ist es also nicht, wenn Staaten töten.

Dass beispielsweise der saudische Staat kürzlich den Journalisten Jamal Khashoggi getötet hat, ist doch ganz normal. Staaten töten eben. Das ist die Art, in der Staaten mit ihren Gegnern umgehen. Und zwar alle Staaten, nicht nur der Staat der Königsfamilie Saud. Auch der türkische Staat, der jetzt so durchsichtig Empörung mimt und eine lückenlose Aufklärung des Khashoggi-Verbrechens verlangt, geht mit seinen Gegnern ja auch nicht eben zimperlich um. Da kann es durchaus vorkom­men, dass politische Gegner des Staatspräsidenten im Ausland entführt und dann zu Hause so lange gefoltert werden, bis sie tot sind.

Nicht besser sind die Staaten unseres ach so aufgeklärten Westens. Ein besonders aktiver Inhaber der Tötungslizenz ist der US-amerikanische Staat. Gegen ihn sind die Saudis schon fast so etwas wie kleine Lausbuben, die man bei ihrer frechen Killerexpedition nach Istanbul erwischt hat und nun Schelte kriegen, derweil ihr Kronprinz ziemlich hilflos bestreitet, etwas davon gewusst zu haben. Wenn jedoch die USA ihre Gegner an allen Orten der Welt mit High Tech-Drohnen oder Killerkom­mandos „ausschalten“, so kann es durchaus vorkommen, dass man am Fernsehen zuschaut, wie der US-Präsident eine solche Aktion von der Kommandozentrale aus überwacht, wie kurz darauf Holly­wood mit einem Action Thriller über den heldenhaften Raid nachdoppelt und wie ein stolzes Mitglied des Killerkommandos darüber einen Bestsellers schreibt.

Und nicht wirklich anders auch bei uns in Europa: Auch der deutsche oder etwa auch der biedere schweizeri­sche Staat haben die Lizenz zum Töten. Auch hier will von der Lizenz Gebrauch ge­macht sein. Das geschieht zwar nicht so spektakulär wie in Saudiarabien, der Türkei oder den USA (oder versteckt man es bloss besser?), wirkungsvoll ist die staatliche Lizenz zum Töten aber auch hierzulande. Die Tatsache allein, dass der Staat diese Lizenz hat und dass er sie sehr konkret umsetzt in eine hochprofessio­nelle Tötungsorganisation mit Kampfmonturen, Waffen, Munition und vor allem gut ausgebildeten Tötungsprofis, die in regelmässigen Übungen für den jederzeitigen Einsatz fit gehalten werden, wirkt letztlich genau gleich wie in jenen anderen Ländern: die Gegnerschaft wird ausgeschaltet. Was immer der Staat befiehlt oder verbietet – und seine Kreativität ist diesbezüglich ja beachtlich – so hat er bei Widerstand das Recht auf gewaltsame Durchsetzung, bei Bedarf bis hin zum tödli­chen Schuss.

Nun könnten sich Adressaten solch staatlicher Zumutungen ihrerseits auf eine Lizenz zum Töten be­rufen und gestützt darauf mit Waffengewalt Widerstand leisten. Hiergegen wiederum behauptet der Staat dann einfach sec, seine Lizenz sei exklusiv, nur er allein dürfe sie beanspruchen, andere nicht, und er nennt dies feierlich „Gewaltmonopol“. Doch weicht er damit bloss der Frage aus, von wem er diese angebliche Lizenz bekommen habe und warum nur gerade er exklusiv. Die Antwort wäre näm­lich so einfach wie verräterisch: Niemand hat sie ihm gegeben, er hat sie sich genommen. Das ist gar keine Lizenz, sondern schlichte Selbstanmassung – genau gleich wie die selbst angemasste Monar­chie der Fa­milie Saud.

Zurück zu den Medien