Das Klischee von den bombenlegenden Outlaws

David Dürr – eigentümlich frei / Mai 2022

Anarchisten? Das sind doch diese Bombenleger, die keine Gesetze befolgen, Outlaws – so das immer wieder gehörte Klischee. Und so sind Leute bisweilen erstaunt, wenn ich ihnen erkläre, dass ich Anarchist bin. Erstaunt sind sie deshalb, weil sie mir nicht zutrauen, Bomben zu legen, womit sie natürlich recht haben; zumindest bis anhin kam mir dies noch nicht in den Sinn. Erstaunt sind sie auch, weil ich mich als professioneller und wissenschaftlich interessierter Jurist doch wohl an Gesetze gebunden fühle; und auch da haben sie recht, denn ich weiss, dass natürliche Verhaltensgesetzmässigkeiten (du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen etc.) so oder so gelten, ob man will oder nicht.

Und meist kommt dann im gleichen Atemzug das nächste Klischee, nämlich dass es den Staat und seine Rechtsordnung doch genau deshalb brauche, um den bombenlegenden Outlaws das Handwerk zu legen.

Diese beiden Klischees sind falsch, das jeweilige Gegenteil ist richtig: Anarchisten sind fried- und ordnungsliebend – Staaten legen Bomben und Recht befolgen sie gerade nicht.

Bombenlegen? Wenn einer Bomben legt, dann ist es der Staat, und dies im grossen Stil, mit bemerkenswerter Professionalität, zu gigantischen Kosten und nicht zuletzt mit unverblümtem Marketing in öffentlichen Medien. Das alles ist nicht Zufall, auch nicht die Reaktion auf eine angebliche Provokation des bombardierten Landes. Nein, es ist das, was Staaten typischerweise tun. Bekannt sind doch all diese schrecklichen Bilder von zerbombten Städten, dem Boden gleich gemachten Wohn- und Geschäftshäusern, beschädigten Spitälern, zertrümmerten Theatergebäuden und Schulen, von Strassen und Plätzen mit Bombenkratern, von Menschen in kalten Kellern, verzweifelt auf der Flucht oder tot. Und all das immer wieder: Ukraine, Syrien, kürzlich in Libyen, damals in Vietnam ganze durch Napalm versengte Landstriche, all die zerbombten Städte des zweiten Weltkriegs, Hiroshima und Nagasaki ausradiert – das typische Handwerk von Staaten, von wegen Bombenlegern.

Und von wegen Outlaws? Wenn einer Recht nicht befolgt, dann ist es der Staat; und dies im grossen Stil, mit bemerkenswerter Professionalität, zu gigantischen Kosten und mit unverblümtem Marketing in öffentlichen Medien. Was er nämlich tut, ist «Recht setzen»; das ist das Gegenteil von Recht befolgen. Recht setzen heisst, anderen Befehle erteilen. Recht befolgen heisst, Normen einzuhalten wie beispielsweise: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen. Der Staat aber tötet mit seinen Bomben und er stiehlt mit seinen Steuern.

Was Staaten somit auszeichnet, nämlich ungestraft zu töten und zu stehlen, die Gesellschaft sprichwörtlich von oben herab zu erniedrigen, diese bedingungslose Vorherrschaft, hat einen griechischen Namen: Arche. – Eine Gesellschaftsordnung, die flächendeckendes Bombenlegen und flächendeckenden Diebstahl vermeiden will, tut gut daran, vollständig ohne Arche auszukommen. Ohne Arche, auch das hat einen griechischen Namen: An-Archie.

Anarchie garantiert zwar noch lange nicht das Paradies auf Erden, aber es vermeidet wenigstens die Hölle staatlicher Bombenteppiche und steuerlicher Raubzüge.

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