Das kälteste aller kalten Ungeheuer

David Dürr – eigentümlich frei / Oktober 2022


Als Friedrich Nietzsche, der grosse Denk- und Formulierungsmeister, vor weit über hundert Jahren sein berühmtes „Also sprach Zarathustra – ein Buch für Alle und Keinen“ schrieb, muss er ganz offensichtlich den Staat des Jahres 2022 vor Augen gehabt haben. Denn was er da formuliert, ist haargenau, was wir gerade erleben: 

  • Wenn man etwa bedenkt, wie unser Staat seit Jahren mit Beharrlichkeit daran arbeitet, Kälte in diese Welt zu bringen, indem er Klimaerwärmung bekämpft, Atomkraftwerke stilllegt, Kohle verbietet, Diesel mit Windrädern verbraucht, grosse Erdgaslieferanten boykottiert, und uns nun für kommenden Winter verbindlich Kälte verordnet – dann passt keine Formulierung so schön wie: „Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer.“ 

  • Oder wenn man bedenkt, wie diese offizielle Staatskälte nicht bloss durchgesetzt, sondern mit angeblich demokratischer Legitimation beschönigt wird, dann kann man das nicht besser formulieren wie: „Kalt lügt es auch, dieses Ungeheuer; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.“

  • Oder wie der Staat diese Zumutungen als hart, aber nötig anpreist, dann passt keine Formulierung so präzis wie: „Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt. Sprachverwirrung des Guten und Bösen: dieses Zeichen gebe ich euch als Zeichen des Staates.“

  • Oder wie all diese staatlichen Wohltaten mit Steuern und rein fingiertem Geld finanziert werden, da passt nichts so gut wie: „Und was der Staat auch hat, gestohlen hat er’s. Falsch ist alles an ihm; mit gestohlenen Zähnen beisst er, der Bissige. Falsch sind selbst seine Eingeweide.“

  • Oder wie er sich noch immer als höchste Macht im Land mit Gewalt- und anderen Monopolen aufspielt und damit noch immer bei zahllosen Untertanen Staatsgläubigkeit und Selbsterniedrigung bewirkt, dann treffen es diese Verse punkt genau: „Auf der Erde ist nichts Grösseres als ich: der ordnende Finger bin ich Gottes! - also brüllt das Unthier. Und nicht nur Langgeohrte und Kurzgeäugte sinken auf die Kniee! Ach, auch in euch, ihr grossen Seelen, raunt er seine düsteren Lügen! Ach, er erräth die reichen Herzen, die gerne sich verschwenden!“

  • Oder wenn man all die beflissenen Denunzianten, Hofschranzen und Staatskarrieristen beobachtet: „Seht sie klettern, diese geschwinden Affen! Sie klettern über einanderhinweg und zerren sich also in den Schlamm und die Tiefe. Hin zum Throne wollen sie Alle: ihr Wahnsinn ist es, als ob das Glück auf dem Throne sässe! Oft sitzt der Schlamm auf dem Thron – und oft auch der Thron auf dem Schlamme. Wahnsinnige sind sie mir Alle und kletternde Affen und Überheisse.“

  • Aber auch dass nun eine zunehmende Staatsskepsis aufkommt, lässt sich kaum zutreffender formulieren wie: „Wo es noch Volk giebt, da versteht es den Staat nicht und hasst ihn als bösen Blick und Sünde an Sitten und Rechten.“

  • Und wie es Hoffnung gibt: „Frei steht grossen Seelen auch jetzt noch die Erde; frei steht noch grossen Seelen ein freies Leben; dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch.“

Also sprach Zarathustra.


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